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Festival No. 6 at Portmeirion Photo credit: Ralf Dombrowski |
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Grace Jones at Festival No. 6 at Portmeirion Photo credit: Ralf Dombrowski |
The fourth edition of Festival No.6 has just happened in Portmeirion in Gwynedd in North Wales. The festival is billed as a “bespoke banquest of music, arts and culture in the most stunning festival setting in the world”. Ralf Dombrowski attended, took photos – more below – and was captivated by it, and wrote about it – in German. (Festival website).
Aus der Zeit gefallen – das Festival No 6 in Portmeirion
Portmeirion ist ein Ort der Phantasie. Erdacht und über rund ein halbes Jahrhundert hinweg erbaut hat es der walisische Architekt Sir Clough Williams-Ellis, der auf diese Weise einer verschlafenen Bucht im kühlgemäßigten Klima des nördlichen Europa zu ein wenig imaginärem mediterranem Flair verhelfen wollte. Es ist ein Dorf aus Zuckerguss, eine surreale Mischung aus Fin-de-Siecle-Träumen des unbeschwerten Bohème-Lebens, touristischen Seebad-Visionen und einer Prise Größenwahn, die Mitte des vergangenen Jahrhunderts den Freigeist beflügeln sollte, inzwischen aber in der Regel Senioren anzieht, die das Puppendorf mit der Aura von Biscuit und Erfrischungstüchern füllen, oder Fans der TV-Serie „The Prisoner (Number 6)“, die in den später Sechzigern dort gedreht wurde. Wenn nicht gerade das Festival No. 6 die Touristen-Idylle überrennt.
Tatsächlich erkannten die Einheimischen vor einigen Jahren das Bedürfnis eines Jungbrunnens und setzten sich mit dem Eventprofi Luke Huxham in Verbindung. Sein Rezept hieß: Konzerte! Und so startete vor vier Jahren erstmals das Festival No 6, ein Versuchsballon, das auf Anhieb rund 7.000 Fans überwiegend aus den umliegenden Großstädten Manchester und Liverpool anzog. Aus dem Experiment entwickelte sich eine rund laufende Veranstaltungsmaschine, die inzwischen mehr als die doppelte Menge Besucher anzieht und die Feierfans mit einem halben Dutzend Campingarealen, professionellem Massenmanagement und viel Atmosphäre, Musik, inklusive einer Prise Eskapismus in Portmeirion versorgt. Disneyland meets Loveparade, Familienparty, Szenetreffen, rauschhaft und angesichts der eigenwilligen Kulisse mit Hipsterfaktor.
Musikalisch ist das Festival No 6 ein Gemischtwarenladen, der dem generationsdurchmischten Publikum Rechnung zu tragen versucht. Manche Künstler sind dabei vergleichsweise austauschbar, was weniger am Programm an sich liegt, als vielmehr an der Ähnlichkeit vieler Popbands, die das Business dominieren. Spannend wird es jedoch immer dann, wenn die Konzerte das bekannte Terrain verlassen und ihrerseits Visionäre präsentieren. Kate Tempest zum Beispiel, Spoken-Word-Berserkerin mit Affinität zum verbal Exzessiven schleuderte dem Publikum ihre emotional herausfordernden Wortsalven entgegen, eingepackt in eine Mischung aus Funk, Folk und die diversen Stilintarsien, die ihre Emphase unterstützten. Ghostpoet war ein Pendant zu ihr, cooler, souliger mit Jazzmomenten, aber in der Botschaft, sich der eigenen Kraft bewusst zu werden, ähnlich nachdrücklich. Groß, weil in dieser Form neu und überzeugend eigenständig, präsentierten wiederum die Young Fathers eine Mixtur aus Electronics, Zeitlupenrap, Afrikaneskem und Urbanem, eine Musik, die faszinierend intensiv eine Richtung vorgab, in die musikalische Arbeit mit Worten gehen könnte, wenn sie sich nicht in kommerziellen Allerlei verlieren will.
Dann war da noch Grace Jones. Als Headlinerin beschloss sie die Konzerte auf der großen Bühne und zeigte mit aller Vehemenz einer Showkünstlerin, dass es am Ende auch auf der Bühne um Bilder und Imaginationen geht. Sie ist so unwirklich wie Portmeirion, ein Kunstprodukt, Image, eine Projektionsfläche für Entertainmentphantasien und zugleich eine charismatische Verkäuferin ihrer Körperkultur, Stimme und der vielen Assoziationen, die an sie herangetragen werden. Auch Musik von Grace Jones verdient keinen Innovationorden, aber das Design und der Sound ist weiterhin perfekt, obwohl die echten Reißer bald vier Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Egal, zu dem aus der Zeit gefallenen Ort Portmeirion passte das. Und am Ende hatte das viel beschworene Motto des „Festivals ohne Gleichen“ doch noch mehr als Party und Ambiente als Entsprechung.
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Young Fathers at Festival No. 6 at Portmeirion Photo credit: Ralf Dombrowski |
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Kate Tempest at Festival No. 6 at Portmeirion Photo credit: Ralf Dombrowski |
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Grace Jones at Festival No. 6 at Portmeirion Photo credit: Ralf Dombrowski |
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